Bild einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Was Sie bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit von Mitarbeitern tun können – Ein Arbeitgeber hat mehr Rechte als manchem Arbeitnehmer lieb ist

Haben Sie als Arbeitgeber schon einmal den Verdacht gehabt, dass einige Ihrer Mitarbeiter Krankmeldungen als Möglichkeit ansehen, um mehr Urlaubstage zu bekommen, besonders an Brückentagen oder nach der Kündigung? Diese Situationen belasten nicht nur Ihre Finanzen, sondern auch die Moral der gesamten Belegschaft. Im Jahr verursacht die Lohnfortzahlung bei unberechtigten Krankmeldungen Kosten von rund 5,5 Milliarden Euro. In meinem Artikel erkläre ich, wie Sie sich als Arbeitgeber wehren können, wenn Sie an der Arbeitsunfähigkeit von krankgemeldeten Mitarbeitern zweifeln. Lesen Sie weiter, um mehr über Ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten zu erfahren.

 

Der Brückentag naht…. Meldet sich Frau Schmidt wieder krank?

Sie kennen als Arbeitgeber die Situation leider nur zu gut: Das lange Wochenende mit einem Brückentag naht und pünktlich am Mittwoch morgen kommt die Krankmeldung von Frau Schmidt, die sich schon an den letzten beiden Brückentagen krankgemeldet hat.

Dass Herr Meier kündigt und fast zeitgleich eine AU einreicht, überrascht Sie auch nicht mehr, das ist mittlerweile schon fast Standard. Dabei war er gestern noch das blühende Leben und ist auf einmal für sechs Wochen außer Gefecht.

Natürlich kann jeder Mensch plötzlich krank werden oder einen Unfall haben, allerdings sind manche Zufälle bei AU so zufällig, dass sich ein schlechtes Bauchgefühl bei uns Arbeitgebern einschleicht und wir daran zweifeln, dass die Arbeitsunfähigkeit wirklich besteht.

 

Das tut finanziell weh – ist aber nur der kleinere Teil Ihres Problems

Wenn Sie auf die Lohnfortzahlung schauen, trösten Sie sich vielleicht damit, dass Sie über das AAG einen Teil der Kosten erstattet bekommen, wenn Sie weniger als 30 Mitarbeiter haben. Das ist aber kein Grund, sich solch ein Verhalten bieten zu lassen.

Viel schlimmer ist die Wirkung auf die anderen Mitarbeiter. Sie müssen für das unkollegiale Verhalten bluten und werden sich irgendwann die Frage stellen, warum sie sich das überhaupt antun.

Offensichtlich ist es einfach, nicht arbeiten zu müssen und trotzdem zu 100% bezahlt zu werden. Irgendeinen Arzt, der Erst- und Folgebescheinigungen ohne genaue Prüfung ausstellt, werden auch die Mitarbeiter finden, die bisher mitgezogen haben.

Im Zweifel fragen sie einfach die “Kollegen”, die das System des Urlaubs auf Krankenschein perfektioniert haben.

Bei den letzten Kündigungen von Mitarbeiterinnen (denen ich keine Träne nachweine), haben  mir die Mitarbeiter prophezeit haben, was passieren wird: “Warte nur ab, zuerst ist Mary 6 Wochen bis Ende April krank und danach wird Elisa für 6 Wochen bis Ende Juni krank werden.”

Natürlich ist das genauso passiert.

Haben Sie auch keine Sorge, bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit tätig zu werden. Das Feedback meiner Mitarbeiterinnen hat bei mir jeden Zweifel ausgeräumt: “Endlich machst Du mal was dagegen.”

Übrigens finden Sie hier einen Rechner, mit dem Sie schnell berechnen können, bis wann Ihre kranken Mitarbeiter Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben.

Zweifelhafte Arbeitsunfähigkeiten verursachen einen enormem volkswirtschaftlicher Schaden

Diese Leute schädigen nicht nur uns und unsere Mitarbeiter, sondern auch das Solidarsystem und die Volkswirtschaft.

Legt man den durchschnittlichen Bruttolohn aus dem April 2024 von knapp 4.300 EUR zugrunde, so liegt die Lohnfortzahlung pro Tag bei knapp 200 EUR.

Bei ungefähr 15 Krankheitstagen pro Jahr und 35 Millionen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter beträgt die Summe der Lohnfortzahlung fast 110 Mrd. EUR pro Jahr!

Wenn nur 5% aller Krankheitstage unberechtigt sind, muss irgendjemand 5,5 Mrd. EUR Jahr für Jahr aufbringen, um die Leute zu finanzieren, die Krankmeldungen als persönlichen Zusatzurlaub sehen.

Für diese Arbeitnehmer und die Ärzte, die einfach solche AU ausstellen, ist das kein Problem, denn geschädigt wird ja nur der böse Arbeitgeber.

Nur stimmt das nicht. Die Kosten für die Lohnfortzahlung kalkuliert jeder wirtschaftlich denkende Arbeitgeber mit ein und legt sie auf seine Preise um. Die 5,5 Mrd. EUR zahlen wir also alle über höhere Preise im Supermarkt, bei Handwerker und beim Steuerberater.

Diese 5,5 Mrd. EUR könnte man erheblich sinnvoller verwenden:

  • Wenn Sie Kinder haben, werden Sie sicherlich oftmals über den Unterrichtsausfall fluchen. Mit 5,5 Mrd. EUR könnten wir über 90.000 neue Lehrer einstellen und der Unterrichtsausfall gehört der Vergangenheit an.
  • Man könnte pro Jahr 1.100 neue Windräder bauen oder 550 Kilometer maroder Autobahnen sanieren.
  • Im Rahmen der sicherheitspolitischen Zeitenwende könnte man davon auch 600 Leopard 2 kaufen und unsere Verteidigungsfähigkeit stärken.

Jedem von Ihnen fallen auf Anhieb sicher noch mehr Beispiele ein, was die Volkswirtschaft mit diesen 5,5 Mrd. EUR pro Jahr (!) anfangen könnte.

Was für ein Projekt es auch ist, das Geld ist besser angelegt als darin, faulen Mitarbeitern zusätzliche Urlaubstage zu verschaffen.

Eine von einem Arzt bescheinigte AU hat einen hohen Beweiswert

Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit sitze ich doch ohnehin am kürzeren Hebel!

Es spricht also viel dafür, sich nicht alles gefallen zu lassen, wenn Sie an der Arbeitsunfähigkeit zweifeln.

Sie sind kein Arzt, der kranke Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, Ihnen seine Diagnose mitzuteilen und der krankschreibende Arzt wird sich immer auf seine Schweigepflicht zurückziehen.

Wir sitzen gegenüber den Leuten, bei denen wir und auch unsere loyalen und guten Mitarbeiter ein übles Bauchgefühl haben, am kürzeren Hebel. Also haben wir als Arbeitgeber ja gar keine andere Wahl, als die Faust in der Tasche zu ballen, stillschweigend zu zahlen und zu hoffen, dass die anderen Mitarbeiter von den faulen Äpfeln im Korb nicht angesteckt werden.

Aber ist das wirklich so?

Schließlich ist der volkswirtschaftliche Schaden beträchtlich, den unberechtigte Krankmeldungen verursachen und es ist auch im Sinne des Gesetzgebers, Möglichkeiten zu schaffen, den Missbrauch des Solidarsystems zu erschweren.

Dafür hat der Gesetzgeber den § 275 SGB V geschaffen.

Genau genommen müssten auch die gesetzlichen Krankenkassen nach § 275 SGB V von sich aus tätig werden, wenn sie Anhaltspunkte haben, dass Krankenmeldungen unberechtigt sind, z. B. wenn Versicherte auffällig häufig am Anfang oder Ende der Woche krankgeschrieben werden. Ich lehne mich mit der Behauptung aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass das noch nie passiert ist. Ich lasse mich aber sehr gerne vom Gegenteil überzeugen.

Für uns als Arbeitgeber ist aber viel wichtiger, dass wir das Recht haben, eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Diensts der Krankenkassen nach § 275 Abs. 1a S. 3 SGB V anzufordern.

Was kann dazu führen, dass Sie an der Arbeitsunfähigkeit zweifeln?

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit können medizinische, rechtliche oder sonstige Ursachen haben. Solche Zweifel können z. B in diesen Fällen vorliegen:

  • häufige Arbeitsunfähigkeit wegen wechselnden leichter Befindlichkeitsstörungen,
  • Attestierung von Arbeitsunfähigkeit außerhalb des Fachgebietes des Arztes,
  • häufiger Arztwechsel,
  • erneute Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit durch einen anderen Arzt nach Feststellung von Arbeitsfähigkeit durch den bisher behandelnden Arzt oder den MD,
  • regelmäßige Arbeitsaufnahme vor der ersten Einladung zur sozialmedizinischen Begutachtung durch den MD,
  • Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Hinblick auf das bescheinigte Krankheitsbild,
  • Arbeitsunfähigkeitsmeldung nach innerbetrieblichen Differenzen oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
  • vorherige Ankündigung der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer,
  • AU und das Verhalten des Arbeitnehmers auf sozialen Medien passen nicht zusammen.

Bitte betrachten Sie die Krankenkasse als unsere Verbündete im Kampf gegen unberechtigte Krankmeldungen. Sie werden durch die Krankmeldungen genauso geschädigt wie wir.

Mangels Wissen werden die allermeisten Arbeitgeber von diesem Instrument aber noch nie Gebrauch gemacht haben. Die Vorschrift ist in der Tat ja auch gut versteckt!

Das sollten wir aber tun, denn immerhin hat sogar das notorisch arbeitnehmerfreundliche BAG geurteilt, dass Arbeitsunfähigkeiten in begründeten Verdachtsfällen keinen großen Beweiswert mehr haben, sondern das dann die Beweislast auf den Arbeitnehmer übergeht.

Was tun, Sie an der Arbeitsunfähigkeit zweifeln?

Erster Schritt:

Reden Sie mit Ihrem Arbeitnehmer!

Die meisten unserer Mitarbeiter sind wirklich krank und durch eine Meldung bei der Krankenkasse setzen wir sie dem Verdacht aus, bei der Arbeitsunfähigkeit geschummelt zu haben.

Mit einem offenen Gespräch schaffen Sie Vertrauen und beugen Misstrauen vor. Außerdem mag es den einen oder anderen faulen Äpfel abschrecken, wenn er weiß, dass sein Verhalten nicht unbemerkt geblieben ist.

Zweiter Schritt:

Kann das Gespräch Ihre Zweifel nicht ausräumen, wenden Sie sich an die Krankenkasse Ihres Mitarbeiters.

Sie müssen Tatsachen vortragen, die geeignet sind, den Beweiswert eines ärztlichen Attests ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Es reicht nicht, einfach nur ins Blaue hinein eine Anfrage zu stellen.

Nach § 275 Abs. 1a S. 4 SGB V kann die Krankenkasse nämlich davon absehen, ein Gutachten anzufordern, wenn sich aus den ihr vorliegenden Unterlagen ergibt, dass die AU zu Recht besteht.

Oben habe ich Gründe aufgeführt, die Zweifel begründen können. In einem meiner Fälle hat sich die “kranke” Mitarbeiterin gegenüber einer Kollegin damit gebrüstet, sich erst mal auf meine Kosten erholt zu haben und dann von mir die Auszahlung des nicht genommenen Urlaubs zu verlangen. Sie hat leider unterschätzt, wie “angepisst” die Kollegin von diesem Verhalten war, die damit zu mir gekommen ist und mir die Nachricht gezeigt hat.

Mit solchen Zweifeln wird es der Krankenkasse schwer fallen, Ihr Verlangen nach einem Gutachter nicht zu berücksichtigen, zumal sie davon zumindest dann auch unmittelbar geschädigt ist, wenn das Umlageverfahren U1 greift.

Vergessen Sie auch nicht, dass § 275 Abs. 1a S. 2 SGB V verlangt, dass die Prüfung unverzüglich nach der Vorlage der AU beantragt werden muss.

Leider heißt das hier wirklich sofort! Der Medizinische Dienst kann nur dann eine Beurteilung durchführen, ob Ihr Verdacht gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer noch krankgeschrieben ist. Zweifeln Sie an der Arbeitsunfähigkeit, stellen Sie am besten noch am Tag der Krankmeldung den Antrag auf gutachterliche Stellungnahme.

Was passiert nach meinem Antrag?

Weicht das Gutachten des Medizinischen Dienstes vom ärztlichen Attest ab, werden zunächst nur der Arzt und die Krankenkasse informiert. Der Arzt ist dann aufgefordert, sich detailliert zum Sachverhalt zu äußern und die Zweifel des Medizinischen Dienstes ausräumen. Gelingt ihm dies nicht, so erhalten Sie eine Information darüber, ob und bis wann der Medizinische Dienst eine AU bestätigt.

Daraus können Sie arbeitsrechtliche Konsequenzen ableiten.

Es kann daher Sinn machen, die Entgeltfortzahlung solange zu verweigern, bis Sie eine Rückmeldung von der Krankenkasse erhalten haben. Sollten Sie bereits eine Entgeltfortzahlung geleistet haben, fordern Sie diese von Ihrem Mitarbeiter zurück.

Bitte stimmen Sie solche Schritte aber immer mit einem Ihrem Rechtsanwalt ab!

Mit dem sollten Sie auch reden, wenn Sie weitere rechtliche Schritte gegen Ihren Arbeitnehmer erwägen.

Keine Rechtsberatung im Einzelfall

Meine Ausführungen stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar, sondern sind nur dazu gedacht, allgemeine rechtliche Informationen zur Verfügung zu stellen.

Ich empfehle Ihnen, sich bei konkreten Fragen bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit an einen auf Arbeits- und Sozialrecht spezialisierten Fachanwalt zu wenden, insbesondere dann, wenn Sie arbeitsrechtliche Schritte in Erwägung ziehen (z. B. die vorläufige Verweigerung der Entgeltfortzahlung).

Dazu arbeite ich mit der Rechtsanwaltsgemeinschaft Grollmann aus Recklinghausen zusammen, die über umfassende Expertise in beiden Rechtsgebieten verfügt.

Beziehen Sie sich bei Ihrer Kontaktaufnahme gerne auf mich.