Urteil des FG Niedersachsen: Die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten hängt auch an der neuen Miete!

Urteil des FG Niedersachsen: Die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten hängt auch an der neuen Miete!

Planen Sie als Vermieter gerade umfangreiche Renovierungen in Ihrer Immobilie, um höhere Mieten erzielen zu können? Dann ist das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 17. März 2023, Az 15 K 17/21 für relevant.

Dieses Urteil macht die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten für Vermieter unberechenbarer. Die Vermieter hat das Erdgeschoss eines vermieteten mehrstöckigen Gebäudes teuer umbauen lassen, um höhere Mieten erzielen zu können. Daraus haben das Finanzamt und auch das Finanzgericht Niedersachsen ihr einen Strick gedreht und die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten aufgeweicht. Wenn Umbaumaßnahmen dazu führen, dass höhere Mieten erzielt werden können, sollen statt Erhaltungsaufwand Herstellungskosten vorliegen.

Wir erklären Ihnen, was das Urteil für Sie bedeutet und was Sie jetzt tun müssen.

Was war passiert?

Die klagende GbR besitzt ein zu 100% fremdvermietetes Geschäftshaus, in dem sie das Erdgeschoss bisher an einen Supermarkt vermietet hat. Die Räumen in den übrigen Stockwerken waren und sind an diverse Ärzte vermietet worden.

Nachdem der Mietvertrag mit dem Supermarkt einvernehmlich zwischen dem bisherigen Mieter und der Vermieter beendet worden war, hat die GbR das Erdgeschoss aufgeteilt. umgebaut und dann an eine Apotheke und eine Bäckerei vermieten.

Dazu waren umfangreiche Umbauten notwendig, die alleine schon aus der notwendigen Aufteilung der bisher durch einen Mieter genutzten Fläche in jetzt 2 Flächen resultieren. Allerdings war die Gesamtfläche vor und dem Umbau mit 620qm gleich.

Was hat die Vermieterin umbauen lassen?

Die GbR hat unter anderem folgende Arbeiten ausführen lassen:

Einbau zusätzlicher Fenster an allen vier Seiten der Erdgeschoss-Außenfassade,

  • Schaffung eines zweiten Eingangsbereichs,
  • Einbau neuer Innentüren,
  • Einbau von Noteingangstüren,
  • Ersatz des vorhandenen Bodenbelags durch Bodenfliesen, Teppichboden bzw. PVC-Plankenbelag,
  • Erneuerung der bereits vorhandenen abgehängten Decken im Verkaufsraum,
  • einen Neuanstrich mit Dispersionsfarbe,
  • eine Ergänzung der Frisch- und Abwasserinstallationen sowie der Elektroinstallationen,
  • Einbau einer elektromechanischen Be- und Entlüftungsanlage in der künftigen Apotheke sowie den innenliegenden Räumen des Bäckerei-Cafés,
  • Schaffung neuer Sanitäranlagen, insbesondere für das Café,
  • die Aufteilung der bisher einheitlich genutzten Fläche in zwei separate Einheiten unter Zuhilfenahme einer 17,5 cm starken Gipskartonwand mit beidseitiger Beplankung.

In Summe kostet der gesamte Umbau knapp TEUR 500. Faktisch hat der Vermieter hier nur den Investitionsstau der letzten Jahre beseitigt. Laut seinen Ausführungen im Urteil ist seit 1974 keine größere Erhaltungsmaßnahme im Erdgeschoss durchgeführt worden.

Der Umbau war klar darauf ausgerichtet, eine höhere Miete erzielen zu können

Der Umbau rechnete sich aber, weil nur für das Erdgeschoss eine neue Jahresmiete von TEUR 112 statt wie vor dem Umbau TEUR 41 vereinbart wurde. In Bezug auf das Gesamtgebäude ist die Miete um knapp 40% durch die neuen Mietverträge gestiegen. Es war laut dem Vortrag der Vermieterin auch beabsichtigt, höhere Mieten zu erzielen. Gegenüber dem Supermarkt war eine höhere Mietforderung nicht durchsetzbar.

Der Umbauaufwand wurde als Erhaltungsaufwand sofort abgezogen

Die GbR hat den gesamten Aufwand als sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand behandelt.

Diesen Ansatz kann ich gut nachvollziehen.

Es fand keine Standardhebung von mindestens 3 der 4 kritischen Gewerke statt und es wurde auch keine neue Vermietungsfläche geschaffen. Es wurde lediglich die bisher vermietete Fläche anders aufgeteilt. Vor und nach der Umbaumaßnahmen wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt.

Das Finanzamt sieht die Schaffung einer „neuen Verwertungsmöglichkeit“ – Erhaltungsaufwand wird zu Herstellungskosten

Leider ist das Finanzamt hier anderer Auffassung. Das hat nämlich mehr als 90% der Kosten als Herstellungsaufwand eingestuft, weil durch den Umbau eine neue Verwertungsmöglichkeit entstanden sei. Wohlgemerkt: Es wird vorher und nachher vermietet, nur eben an jemand anderen!

Das ist der Worst Case, den man sich in einem solchen Fall vorstellen kann: Nicht nur, dass die Kosten nicht sofort abziehbar sind, sie werden auch über 33 Jahre verteilt!

Seine Begründung für diese, gelinde gesagt, überraschende Einstufung ist, dass die Umbaumaßnahmen eine Substanzerweiterung darstellen. Die tragende Begründung dafür ist der Anstieg der Miete. Aus Sicht des Finanzamts ist die Mietsteigerung der Grund für den Umbau gewesen.

Diese Einschätzung dürfte korrekt sein, denn kein Vermieter nimmt freiwillig eine halbe Million Euro in die Hand, um die gleiche Miete wie vorher zu bekommen. Das kann aber kein Argument sein, um die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand einfach aufzuheben. Sollte man meinen…

Im Finanzgericht Niedersachsen hat das Finanzamt dafür einen Verbündeten gefunden

Das Finanzgericht Niedersachsen ist allerdings der Argumentation des Finanzamts gefolgt.

Sehr interessant ist, wie das Finanzgericht argumentiert hat, um die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten aufzuweichen. Im Urteil erläutert es nämlich umfangreich, dass keine tiefgreifende Umgestaltung stattgefunden hat, es auch keine Standardhebung gab, keine Erweiterung der Nutzfläche vorlag und keine Erweiterung oder Verbesserung der Bausubstanz stattgefunden hat. An dieser Stelle fragt man sich unwillkürlich, was denn im konkreten Fall dazu führt, dass statt Erhaltungsaufwand Herstellungskosten vorliegen.

Leider folgt das Finanzgericht der Verwaltung und argumentiert über die neuen Mietverträge und die neue Höhe der Mieten. Der Umstand, dass die übrigen Stockwerke an Ärzte vermietet sind, legt das Gericht dem Vermieter nachteilig aus.

Es sieht wie das Finanzamt eine neue Nutzungsmöglichkeit für das Erdgeschoss in der Wechselwirkung zwischen Apotheke, den vorhandenen Ärzten und auch dem Café als möglicher Wartebereich für Patienten.

Nur aus dieser Wechselwirkung heraus sei die deutliche Mietsteigerung möglich gewesen. Diese Mietsteigerung führt aus Sicht des Gerichts zur “Umschaffung” des bisherigen Wirtschaftsguts.

Das Urteil gibt dem Finanzamt ein Werkzeug an die Hand, die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten fast nach Belieben zu verschieden

Planen Sie auch eine Umbaumaßnahme, um höhere Mieten zu erzielen?

Wenn schon ausreicht, dass höhere Mieten nach Umbaumaßnahmen eine “Umschaffung” auslösen, dann kann man das Konzept des Erhaltungsaufwands gleich ad acta legen.

Bei einer Gewerbeimmobilie wird sich bei jeder Änderung der Branche des Mieters eine Umschaffung leicht argumentieren lassen. Und es dürfte die Regel sein, dass eine Neuvermietung zu einer deutlichen Mietsteigerung führt, zumindest wenn die Inflation die Staffelmieten überstiegen hat.

Auch Wohnimmobilien betroffen

Aber auch bei Wohnimmobilien sind der Fantasie der Finanzverwaltung keine Grenzen gesetzt:

Der 75 Jahre alte Vormieter kündigt den Mietvertrag, weil er eine altersgerechtere Wohnung bezieht. Der Vermieter schaut sich den Wohnungsmarkt an und stellt fest, dass in dieser Wohnlage ein großer Bedarf an Wohnung für junge Familien mit 1 Kind ist. Auf dieser Basis teilt er die Wohnung neu auf und macht aus dem großen Wohn- und Schlafzimmer ein paar kleinere Zimmer. Was hindert den Finanzbeamten daran, eine “Umschaffung” der Wohnung anzusehen? Schließlich ist die Zielgruppe nicht mehr der 75 Jahre alte Witwer, sondern 2 knapp 30 Jahre alte Berufstätige mit einem Kind. Dass die dann auch noch eine höhere Miete zahlen, macht die Argumentation noch glaubwürdiger.

Damit werden dann alle Kosten des Umbaus mal eben zu Herstellungskosten. Dass diese Kosten bitte über 50 Jahre abgeschrieben werden, weil im Rahmen des Umbaus ja auch die Bausubstanz verbessert worden ist, versteht sich von selbst.

Die 15%-Grenze hebelt das Urteil auch gleich mit aus. Wenn nämlich schon dem Grunde nach kein Erhaltungsaufwand vorliegen, ist es auch egal, wenn die Kosten weniger als 15% der Anschaffungskosten ausmachen.

Der BFH konnte zur kreativen Auslegung des FG Niedersachsen nicht Stellung nehmen

Das Gericht war sich aber der Anfälligkeit seiner Argumentation bewusst und hat die Revision zum BFH zugelassen. Leider hat die Vermieterin davon keinen Gebrauch gemacht, so dass das Urteil rechtskräftig ist.

Diese Entscheidung verwundert mich. Statt TEUR 500 im Jahr der Arbeiten abzuziehen, kann sie lediglich 10% davon sofort geltend machen. 90% muss sie über 33 Jahre verteilen. Hier würde sich ein Revisionsverfahren vor dem BFH lohnen, auch wenn es keine Gewähr dafür gibt, dass der BFH sich der Auffassung der Finanzverwaltung anschließt.

Bis dahin ist das Urteil aber in der Welt und bietet eine Argumentationshilfe für die Finanzämter, nach Belieben die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten zu ihren Gunsten zu verändern.

Als Vermieter müssen Sie das Risiko aus der aufgeweichten Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten mitdenken

Bis der BFH Gelegenheit hatte, zur Auslegung der Finanzverwaltung Stellung zu nehmen, muss jeder Vermieter, der eine umfangreiche Umbaumaßnahme plant, um seine Immobilie für einen neuen Mieter hübsch zu machen, das Risiko mitdenken, das das Finanzgericht Niedersachsen eröffnet hat.

Das gilt umso mehr, wenn der Vermieter die Immobilie neu erworben hat und eventuell die steuerliche Behandlung in seinem Cash-Flow für den Kapitaldienst mit eingeplant hat.

Wenn Sie für Ihre Immobilie gerade eine umfangreiche Renovierung planen und Ihr Risiko, dass das Finanzamt aus Erhaltungsaufwand Herstellungskosten macht, minimieren wollen, melden Sie sich bei uns.

Wir erarbeiten mit Ihnen zusammen eine Argumentation und Dokumentation, die es dem Finanzamt schwer macht, grenzenlos Herstellungskosten anzunehmen.

Wenn Sie bereits Opfer der neuen Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten geworden sind und sich dagegen wehren wollen, vertreten wir Ihre Interessen auch gerichtlich. Ein Gerichtsverfahren ist nichts Schlimmes, sondern ein Mittel, um sich widersprechende Sichtweisen durch Dritte klären zu lassen.