Höhe der Zinsen für Steuernachzahlungen verfassungswidrig

Höhe der Zinsen für Steuerzahlungen – Was bedeutet das Urteil des Verfassungsgerichts für Dich?

Zuletzt aktualisiert am 20. November 2021 von Oliver Burchardt

In diesem Artikel erläutere ich, welche Entscheidung das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bei der Höhe der Zinsen für Steuerzahlungen getroffen hat, was das für Dich bedeutet und was Du jetzt tun musst.

Was genau hat das Verfassungsgericht eigentlich zur Höhe der Zinsen entschieden?

Am 8. Juli 2021 hat das BVerfG nach langem Rechtsstreit endlich zur Höhe der bisher verlangten Zinsen Stellung genommen.

Bisher hat das Finanzamt für Steuernachforderungen oder Steuerrückzahlungen Zinsen von 0,5 % pro Monat (6% im Jahr) verlangt oder gezahlt. Dieser Zinssatz ist zum letzten Mal im Jahr 1990 geprüft worden.

Die tatsächlichen Zinsen, die am Markt erzielbar sind, sind schon lange nicht mehr auf diesem Niveau.

Zum Vergleich: 1990 lag der Diskontzins bei eben diesen 6%. Der heute dazu vergleichbare EZB-Zinssatz liegt im August 2021 bei -0,88%, ein Unterschied von fast 7 Prozentpunkten.

Da dieses Missverhältnis nicht tragbar ist, hat zu einer Reihe von Klagen vor dem BVerfG geführt.

Höhe der Zinsen ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig…

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist interessant. Es hat nämlich entschieden, dass die Höhe der Zinsen für Steuernachzahlungen bereits ab dem Jahr 2014 nicht mehr als verfassungsmäßig eingestuft werden kann.

Nach der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 ist das Zinsniveau stark gesunken und seit dem Jahr 2014 sind wir in einer strukturellen Niedrigzinsphase. Wörtlich sagt das Verfassungsgericht, dass die Höhe der Zinsen für Steuernachzahlungen ab dem Jahr 2014 „evident realitätsfern“ und damit verfassungswidrig sei.

…aber Folgerungen daraus werden erst ab dem Jahr 2019 gezogen

Auch wenn das Verfassungsgericht die nicht mehr der Realität entsprechende Höhe der Zinsen sieht, ist es doch dafür zurückgeschreckt, die Konsequenzen daraus zu ziehen und den Staat zu verpflichten, bereits ab dem Jahr 2014 nicht mehr die unrealistischen Zinsen zu verlangen. Vermutlich hat die fiskale Motivation eine Rolle gespielt, denn der Fiskus rechnet mit Einnahmenausfällen von bis zu 30 Mrd. Euro pro Jahr.

Vielmehr hat es die Weitergeltung der Höhe der Zinsen für die Jahre bis einschließlich 2018 angeordnet. Erst für das Jahr 2019 darf die bisherige Höhe der Zinsen nicht mehr verlangt werden.

Bis Juli 2022 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung der Zinsen treffen. Vermutlich wird es auch bis dahin dauern, schließlich ist in fünf Wochen eine Wahl.

Auch wenn die Entscheidung aus meiner Sicht nicht konsequent ist, ist sie so gefallen.

Was konkret bedeutet das jetzt für mich?

Für alle Steuern, die in den Jahren vor 2018 entstanden sind, wird das Finanzamt weiterhin 6% Zinsen für Steuerzahlungen verlangen. Der Zins steht so im Gesetz, daher kann das Finanzamt keine andere Entscheidung treffen.

Wenn Du Einspruch gegen die Höhe der Zinsen eingelegt hast und auch gleichzeitig beantragt hast, die überhöhten Zinsen nicht zu zahlen, hat das Finanzamt dem bisher immer stattgegeben.

Mit dem Urteil zur Höhe der Zinsen ist der Grund für den Einspruch und die Nicht-Zahlung allerdings entfallen.

In den nächsten Wochen wird das Finanzamt auf Dich zukommen und Dich auffordern, die Zinsen zu zahlen.

Um es so offen zu sagen: Es wird Dir nichts übrigbleiben, als das zu tun. Der Rechtsweg ist am Ende und die Entscheidung steht, auch wenn sie schwer nachvollziehbar ist.

Für alle Steuern aus dem Jahr 2019 hingegen darf das Finanzamt nicht mehr die verfassungswidrige Höhe der Zinsen für Steuerzahlungen festsetzen. Da aufgrund der Corona-Situation erst ab dem 1. Oktober 2021 die Verzinsung überhaupt beginnt, ist die praktische Konsequenz daraus noch gering.

Soll ich Steuernachzahlungen jetzt leisten, um mein Geld beim Finanzamt anzulegen?

Die Höhe der Zinsen konntest Du in der Vergangenheit auch zu Deinem Vorteil nutzen.

Wenn Du zu viel Steuern gezahlt hast, war es immer eine Überlegung wert, diese Steuern zu zahlen, denn auch Steuerrückzahlungen wurden mit 6% verzinst. 6% sichere Zinsen gab es sonst nirgendwo!

Dieses Modell ist jetzt aber nicht mehr sinnvoll. Verzinst werden nur die Überzahlungen, die auch tatsächlich geleistet wurden.

Wenn das Finanzamt jetzt Steuernachforderungen für das Jahr 2018 erhebt, die Du für nicht gerechtfertigt hältst, solltest Du Einspruch einlegen und die Aussetzung der Vollziehung beantragen, damit Du die Nachzahlung nicht leisten musst.

Es ist davon auszugehen, dass die neue Höhe der Zinsen für Steuerzahlungen deutlich geringer sein wird und sich an dem orientiert, was am Markt realistisch zu erzielen ist.

Wenn Du Hilfe bei der Frage brauchst, wie Du Dich aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichts zu Höhe der Zinsen verhalten sollest, schreibe mir eine Nachricht über das Kontaktformular.