Neue Regeln zur Restnutzungsdauer für Immobilien ab 2025: Was Investoren wissen müssen
Neue Regeln zur Restnutzungsdauer und Abschreibung für Immobilien ab 2025: Was Investoren wissen müssen
Mit den geplanten neuen Regeln zur Restnutzungsdauer von Immobilien, die voraussichtlich ab dem 1. Januar 2025 gelten, wird es für Investoren schwieriger, eine verkürzte Abschreibungsdauer steuerlich geltend zu machen. Eine wesentliche Änderung betrifft die Einführung einer 20%-Grenze: Nur wenn die Restnutzungsdauer einer Immobilie weniger als 10 Jahre beträgt, kann eine kürzere Abschreibung anerkannt werden. Gleichzeitig werden die Anforderungen an Gutachten strenger. Ob es Sinn macht, noch im Jahr 2024 aktiv zu werden, beantworte ich in diesem Artikel.
Inhalt der neuen Regeln
Die Anforderungen an die Gutachten werden gesetzlich festgelegt
In meiner Kanzlei habe ich in der letzten Zeit viele Bescheide gesehen, in denen die Finanzämter in NRW die vorgelegten Gutachten häufig deshalb ablehnen, weil keine Vor-Ort-Besichtigung erfolgt ist. Diese Anforderung steht bisher nur in einem Erlass des Finanzministeriums. An diesen Erlass ist nur die Finanzverwaltung gebunden, Steuerzahler und Gerichte dürfen eine andere Meinung dazu haben.
Da die Vor-Ort-Besichtigung ab dem 1. Januar 2025 gesetzlich festgeschrieben ist, entfällt dieser Streitpunkt.
In das Gesetz soll ebenfalls aufgenommen werden, dass die Gutachten Aufschluss über die technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Faktoren geben, die zu einer kürzeren Nutzungsdauer führen.
Man sollte meinen, dass es banal ist, eine solche Selbstverständlichkeit in ein Gesetz zu schreiben. Dahinter verbirgt sich aber leider eine tiefere Absicht.
Diese Punkte werden wohl außerhalb der Gutachterbranche und einigen sehr preisbewussten Immobilieninvestoren keine Schnappatmung auslösen. Der nächste Punkt ist aber sehr wohl dazu geeignet, allen Immobilieninvestoren die Sprache zu verschlagen.
Einfügen einer Grenze für die Minderung der Restnutzungsdauer
Eine geringere Restnutzungsdauer soll nur noch dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie weniger als 20% der gesetzlichen Sätze beträgt.
Für eine Wohnimmobilie, die vor Januar 2023 gebaut worden ist, bedeutet das, dass nur noch dann eine kürzere Restnutzungsdauer angesetzt werden darf, wenn sie kürzer als 10 Jahre ist. Ansonsten bleibt es bei der Nutzungsdauer von 50 Jahren für die Abschreibung. Auch dann, wenn die bestätigte Restnutzungsdauer 11 Jahre beträgt!
Was bedeuten die Regeln denn jetzt konkret?
Wenn die 20%-Grenze kommt, ist das Thema Restnutzungsdauer tot. Einer meiner Mandanten meinte dazu treffend, dass das eine solche Bruchbude wäre, die man am besten gleich sofort abreißen sollte.
Leider hätten die Änderungen auch Effekte auf alle Immobilien, bei denen eine kürzere Nutzungsdauer bereits festgestellt worden ist oder bei denen das für noch offene Veranlagungszeiträume noch gemacht werden soll. Der Bundesrat hat in seiner Begründung geschrieben, dass die neuen Regeln auch Auswirkungen auf alle diese Restnutzungsdauern haben.
Damit wäre das Thema Restnutzungsdauer auch für die Vergangenheit tot, wenn die Restnutzungsdauer mehr als 10 Jahre beträgt und / oder die Gutachten nicht die Anforderungen des neuen Gesetzes erfüllen. Die einzige gute Nachricht wäre dann noch, dass die bereits abgezogene AfA erhalten bleibt. Der verbleibende Betrag würde dann über verbleibende gesetzliche Restnutzungsdauer abgeschrieben werden.
Ein Beispiel:
Eine Immobilie wurde für 200.000 EUR für 5 Jahre gekauft. Damals gab es ein Gutachten, das die Nutzungsdauer auf 20 Jahre festgelegt hat.
Fünf Jahre später sind 50.000 EUR schon als AfA geltend gemacht worden. Es bleiben also noch 150.000 EUR übrig.
Diese 150.000 EUR verteilt das Finanzamt jetzt auf die verbleibenden 45 Jahre Nutzungsdauer (50 Jahre laut Gesetz – 5 bereits abgelaufene Jahre). Ab dem Jahr 2025 würde die AfA also pro Jahr nur noch 3.333 EUR betragen.
Die Finanzverwaltung sieht das heute noch anders: Ist ein Gutachten erst einmal anerkannt, dann akzeptiert sie das aus Vereinfachungsgründen auch für weitere Jahre.
Das kommt alles nicht, das BVerfG hat die Abschaffung der Restnutzungsdauer 2022 doch schon mal gekippt
Die Gutachter laufen natürlich Sturm gegen die Neuregelung. Klar, es geht, zumindest teilweise, um deren Geschäftsmodell. Auch wenn die 20%-Grenze nicht kommt, die Anforderungen an die Gutachten werden bleiben.
Im Internet „Formulargutachten“ anzubieten, die man ohne Besichtigung gut skalieren kann, wird nicht mehr möglich sein.
Aber wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Regelung noch gekippt wird?
Dazu müssen wir einen Blick zurück in das Jahr 2022 werfen.
Die Abschaffung der verkürzten Restnutzungsdauer ist nicht neu…
Nach dem BFH-Urteil aus 2021 haben viele Gutachter sehr intensiv am Markt damit geworben, dass es leicht sein wird, auf der Basis dieses Urteils die Nutzungsdauer zu verkürzen. Das ist dem Finanzminister auch damals schon nicht verborgen geblieben.
Im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 war daher die komplette Abschaffung der verkürzten Abschreibung vorgesehen. Der Bundestag hat das in mehreren Lesungen auch nicht aus dem Entwurf rausgestrichen.
Der Bundesrat hat im Jahr 2022 auf die Streichung der Abschaffung beanstanden. Das geschah nicht aus Gründen einer besonderen Liebe zu Vermietern, sondern aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken.
Das Bundesverfassungsgericht hat mal den Grundsatz aufgestellt, dass der Gesetzgeber einen sehr weiten Spielraum hat, der aber seine Grenzen dann findet, wenn „übermäßig“ besteuert wird. Laut dem Bundesfinanzhof ist das der Fall, wenn die tatsächlichen Werte mehr als 40% von den tatsächlichen Werten abweichen. Wenn ich als Steuerzahler aber überhaupt nicht in der Lage bin, einen geringeren Wert nachzuweisen, zahle ich möglicherweise zu viele Steuern. Die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Wertes muss also immer möglich sein.
Diese Rechtsprechung ist die Grundlage der Klagen gegen die Grundsteuer, weil da eben keine Möglichkeit vorgesehen wurde, einen niedrigeren Wert nachzuweisen. Hier steuern die ersten Länder auch schon nach und gewähren diese Möglichkeit.
Der Bundesrat hat aufgrund dieser Bedenken darum gebeten, die Abschaffung der verkürzten Nutzungsdauer wieder zu streichen.
Das BVerfG hat in diesem konkreten Fall nichts entschieden. Das konnte es auch gar nicht, weil es noch gar kein Gesetz gab, gegen das jemand hätte klagen können.
Daher blieb die Möglichkeit, die verkürzte Nutzungsdauer anzusetzen, bis heute im Gesetz stehen.
2024 ist die Welt eine andere…
Mit dieser Vorgeschichte kann man einen Blick auf die heutigen Entwürfe werfen.
Der Bundesrat, der damals die Regelung nicht mittragen wollte, hat jetzt eine eigene Initiative gestartet, um die Nutzung der verkürzten Restnutzungsdauer „einzudämmen“. Diesen Vorschlag hat der Bundesrat zusammen mit dem Bundesfinanzministerium erarbeitet.
Ganz objektiv betrachtet hat der „Bremser“ von damals seine Bremse gelöst und ist mit einer Lösung um die Ecke gekommen, die die Regelung der verkürzten Nutzungsdauer einschränkt. Der Bundestag und die Bundesregierung haben das schon immer gewollt.
Wenn sich alle Beteiligten einig sind, wer soll hier noch die Rolle des Bremsers übernehmen?
Ich persönlich sehe da niemanden. SPD und Grüne werden für die bösen Immobilienhaie keine Gnade zeigen. Die FDP kämpft um ihr Überleben und ob die ein Thema, das für die allermeisten Bürger keine Relevanz hat und ohnehin zu Einnahmenausfällen führt, in dieser Lage bekämpfen wird, halte ich für wenig wahrscheinlich. Außerdem führt die FDP momentan das Finanzministerium und damit war den FDP-Politikern dort bewusst, was der Bundesrat angestoßen hat.
Letzte Hoffnung: Ende der Regierung?
Es ist möglich, dass diese Regierung das Ende dieses Jahres nicht mehr erlebt. Es besteht die „Hoffnung“, dass das Jahressteuergesetz 2024 nicht verabschiedet wird.
Das ist eine sehr milchige Glaskugel. Außerdem ist das Jahressteuergesetz 2024 ja dann nicht verschwunden und da die Länder diese Neuregelung angeregt haben, wird das auch bei CDU/CSU auf Zustimmung gestoßen sein.
Es gäbe dann vermutlich nur einen Aufschub von einem Jahr.
Auf den Worst Case vorbereiten macht Sinn
Entgegen des Optimismus der meisten Gutachter und vieler Investoren glaube ich nicht, dass das Thema verkürzte Nutzungsdauer so weiter existieren wird wie heute. Die Einnahmeausfälle sind erheblich.
Die jetzige Praxis kehrt das Verhältnis um Gesetz um. Regelfall soll die Standard-AfA sein, die Verkürzung nur eine Ausnahme. Mittlerweile ist aber wohl die Verkürzung die Regel.
Aus fiskalischer Sicht musste hier also etwas passieren. Objektiv gesehen kann ich das sogar nachvollziehen.
Daher sollte jeder Immobilieninvestor bei der Ankaufprüfung die Regel-AfA zugrunde legen, bis das Gesetz endgültig verabschiedet ist.
Erst danach wissen wir alle, was mit der 20%-Grenze passiert.
Was ist denn mit den neuen Regeln für die Gutachten?
Zunächst einmal: Diese Regeln sind nicht neu. Nein, sie entsprechen exakt den Vorgaben der Finanzverwaltung zu den notwendigen Inhalten der Gutachten. Wenig überraschend haben es diese Vorgaben in die Stellungnahme geschafft.
Ich höre immer wieder das Argument, dass die Gerichte diese Vorgaben wieder kippen werden. Schließlich gäbe es ein Urteil des BFH, das die freie Wahl der Methode erlaubt.
Das ist richtig, lässt aber völlig unter den Tisch fallen, dass sich der BFH dazu in der Zwischenzeit zu Wort gemeldet hat. Im Urteil vom 23. Januar 2024 (IX R 14/23) hat der BFH im Tenor eindeutig klargestellt, dass eine bloße Berechnung nach ImmoWertV als Nachweis nicht ausreicht. Dazu gibt es auch eine Anmerkung des Berichterstatters Dr. Nils Trossen. Das ist leider hinter einer Paywall, da sie nicht Teil des Urteils ist.
Ich zitiere die wichtigste Passage aus der Anmerkung (Hervorhebungen von mir):
„Der schlichte Verweis auf die modellhaft ermittelte Restnutzungsdauer nach der ImmoWertV 2021 stellt aber sowohl nach der seinerzeitigen Rechtsprechung als auch nach der klaren Aussage des Berechnungsurteils (unter Nr. 27) gerade keine taugliche Darlegungsmethode dar, um die abweichende Nutzungsdauer nachweisen zu können. In der Praxis bedeutet dies, dass für die Geltendmachung der abweichenden Nutzungsdauer … nach wie vor ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erforderlich ist, dass sich insbesondere zu den individuellen Gegebenheiten des zu bewertenden Objekts äußert.“
Dem BFH ging es darum, den Gutachtern „Beinfreiheit“ in der Wahl ihrer Methoden zu lassen, nicht die Anforderung an die Gutachten zu senken.
Ein Blick auf die heutige Gutachtenpraxis
Ich habe in den letzten zwei Jahren viele Gutachten gesehen. Die allermeisten Gutachten machen folgendes:
Sie ermitteln die Restnutzungsdauer anhand des Modells der ImmoWertV, hängen Fotos an und schreiben in die Zusammenfassung etwas in der Art „Nach meiner sachverständigen Meinung entspricht die durch das Modell der ImmoWertV ermittelte Nutzungsdauer den tatsächlichen Gegebenheiten.“
Auf die von BFH geforderten individuellen Gegebenheiten wird in den allermeisten Gutachten überhaupt nicht eingegangen. In der letzten Ablehnung der Anerkennung hat das Finanzamt geschrieben, dass „auf 32 Seiten nur auf 6 Seiten überhaupt die konkrete Immobilie genannt wird. Der Rest des Gutachtens sind allgemeine Ausführungen zu Bewertungsmethoden ohne jeden Bezug zum konkreten Objekt. Es fehlen über die schematische Ermittlung der Nutzungsdauer nach der ImmoWertV hinaus jegliche Aussagen dazu, warum das Objekt wirtschaftlich bereits nach 25 Jahren verbraucht sein soll.“
Schaut mal in Eure Gutachten, dann werdet Ihr in den meisten Fällen feststellen, dass das bei Euch genauso ist.
Faktisch wird nur das Modell der ImmoWertV genutzt und dann behauptet, dass dieses Ergebnis mit dem sachverständigen Urteil übereinstimme.
Wenn man sich die Anforderungen des BFH ansieht, wird kein Finanzgericht dieser Republik solche Gutachten anerkennen. Da es sich hier auch um eine Tatsachenfrage handelt („Ist das Gutachten ausreichend“) und nicht um eine Rechtsfrage, wird wahrscheinlich nicht mal die Revision zugelassen. Und sogar wenn das geschieht, wird der BFH kaum sagen, dass die sog. „Internetgutachten“ ausreichend sind. Es fehlen die vom BFH geforderte Würdigung der individuellen Gegebenheiten der Immobilie.
Warum sehen das die Gutachter anders als ich?
Die Gutachter verdienen ihr Geld mit der Erstellung dieser Gutachten. Das sei ihnen gegönnt, schließlich sind sie hochqualifizierte Experten.
Kann ein so qualifizierter Experte aber ein individuelles Gutachten inklusive einer Besichtigung vor Ort für 599 EUR brutto anbieten?
Da ich auch den Bewerterlehrgang D1 der Dekra gemacht habe und ein wenig Erfahrung in der Bewertung von Immobilien habe, halte ich das für unmöglich.
Fahrt zum Objekt, Durchgang durch das Objekt, Inspizierung der Bausubstanz, Schreiben des Gutachtens etc. dauert. Lass es mal 10 Stunden sein. Der Gutachter arbeitet also für einen Stundenlohn von 59 EUR. Brutto! Die Gutachter, die ich im Netzwerk habe, stehen dafür nicht mal auf.
Das geht nur, wenn die Gutachtenerstellung mehr oder weniger automatisiert ist und keine großen Anpassungen wegen individueller Gegebenheiten notwendig ist. Die Erstellung muss also skalierbar sein.
Mit den richtigen Programmen (z. B. Sprengnetter) ist das überhaupt kein Problem. Die wesentlichen Parameter werden eingegeben oder kommen aus dem Programm selbst, das Programm rechnet auf Basis der Punktwertmatrix die Nutzungsdauer aus und nach zirka 3 Stunden steht das Gutachten. Es fehlt aber die Würdigung der individuellen Verhältnisse, weil die eben nicht skalierbar ist.
Dann passt auch wieder der Stundenlohn für den Gutachter. Der ist dann nämlich 200 EUR brutto. Dafür findet man Leute, die dafür nicht nur aufstehen, sondern sogar arbeiten!
Die Neuregelung wird der heutigen Praxis vieler Gutachter die Grundlage entziehen. Die Gutachten werden deutlich aufwendiger und damit teurer werden.
Das ist auch kein Problem, weil sie eine beschleunigte steuerliche Absetzbarkeit der Anschaffungskosten ermöglichen. Das sollte ein paar tausend Euro wert sein, die man ja auch steuerlich geltend machen kann.
Die Regeln gelten doch erst ab dem 1. Januar 2025! Alte Gutachten sind nicht betroffen!
Diese Aussage wird den Kontakt mit der gerichtlichen Realität nicht überleben.
Die Finanzämter, zumindest in NRW, weisen jetzt schon alle Gutachten zurück, die aus ihrer Sicht die individuellen Gegebenheiten nicht angemessen berücksichtigen.
Dazu sind sie gezwungen, da sie an die Vorgaben des BMF-Schreibens gebunden sind. Einen Einspruch dagegen könnte man sich schenken, weil auch die Rechtsbehelfsstelle keine andere Meinung vertreten kann. Da es aber einen ablehnenden Einspruchsbescheid geben muss, um klagen zu können, sollte man gegen solche Bescheide Einspruch einlegen und darin sofort die Zustimmung zur Sprungklage erklären. Dann kann der Fall direkt zum Finanzgericht gehen.
Das Finanzgericht ist nicht an die BMF-Schreiben gebunden und kann frei entscheiden. Allerdings ist das Finanzgericht an die Rechtsprechung des BFH gebunden und kann davon nicht mal eben so abweichen. Und der BFH hat eine eindeutige Meinung zum Thema ImmoWertV.
Ich sehe nicht, wie die ganzen Formulargutachten aus dem Internet vor Gericht Bestand haben können, wenn da schlicht die Punktwertmatrix angewandt wird und sonst nichts weiter zum Objekt und seinem Zustand ausgesagt wird.
Und wenn die Gerichte das doch anders sehen?
Ich höre auch immer wieder, dass die Gutachter „felsenfest“ davon überzeugt sind, dass die Gerichte die Anforderungen kippen werden.
Ich glaube das zwar nicht, aber unterstellen wir das mal. Schließlich ist dieser Glaube meine persönliche Meinung und wir wissen ja alle, dass man auf hoher See und vor Gericht in Gottes Hand ist.
Das zuständige Finanzgericht gibt der Klage also recht und verurteilt die Finanzverwaltung dazu, das Gutachten in der bestehenden Form anzuerkennen. Das dauert bei der jetzigen Belastung der Finanzgerichte mindestens 2, eher 3 Jahre.
In dieser Zeit hängt Ihr in der Schwebe und wisst nicht mit Sicherheit, ob die Gutachten anerkannt werden. Außerdem will der Steuerberater oder Rechtsanwalt, der die Klage führt, auch bezahlt werden. Eine Klage vor dem Finanzgericht rechne ich nach Stunden ab und nicht nach RVG. Da sind dann schnell 3.000 – 4.000 EUR an Kosten entstanden. Gewinnt Ihr, bekommt Ihr davon aber nur den Teil zurück, den die RVG erstattet, also um die 2.000 EUR.
Verliert Ihr, bleibt Ihr auf den Kosten sitzen.
Wenn das Finanzamt den Fall vor einem Finanzgericht verliert, werden die vor den BFH ziehen. Auch wenn das Finanzamt die Revision nicht zulässt, sehe ich gute Argumente, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg haben wird. Dann geht das ganze Spiel beim BFH wieder von vorne los. Verfahrensdauer beim BFH: Nochmal 2 – 3 Jahre, wenn es gut läuft. Es entstehen wieder Kosten und Ihr habt nochmal ein paar Jahre Unsicherheit.
Wenn Ihr vor dem BFH verliert, kommt die Steuerzahlung und dann auch mit entsprechenden Zinsen. Klar könnt Ihr die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides beantragen und solltet die auch bekommen. Bei 1,8% pro Jahr könnte man das verschmerzen.
Nur: Die Zinsen betragen dann nicht 1,8% pro Jahr, sondern 6%. Die Änderung, die das BVerfG gefordert hat, gilt nur für Steuernachzahlungen nach § 233a AO. Alle anderen Zinsen für Stundung und Aussetzung der Vollziehung betragen weiterhin 6%. Bei einem ausgesetzten Betrag von 20.000 EUR sind das bei 4 Jahren Verfahrensdauer 4.800 EUR!
Im Worst Case müsst Ihr also 8.800 EUR bezahlen, wenn Ihr am Ende vor dem BFH verliert.
Wie teuer ist es, jetzt ein neues Gutachten erstellen zu lassen, dass die Anforderungen erfüllt? Wenn das weniger als diese 8.800 EUR ist, ist es erheblich cleverer, das Geld zu bezahlen, als in einen Rechtsstreit mit unsicheren Erfolgsaussichten zu gehen.
Was heißt das denn jetzt für mich?
Kommt das Gesetz so, wie es in der Stellungnahme des Bundesrats vorgeschlagen wird (also mit der 20%-Grenze), ist die Verkürzung der Restnutzungsdauer tot. Das ist aber auch ganz klar das Ziel der Neuregelung. Das sagt der Bundesrat offen in seiner Begründung, auch wenn das sich hinter Aussagen zum Regel-Ausnahme-Verhältnis verbirgt. Für die Jahre ab 2025 gilt das sogar für bereits akzeptierte Gutachten, die dann für die Zukunft „kassiert“ werden. Entweder weil die Anforderungen nicht erfüllt werden oder weil die 20%-Grenze überschritten wird.
Dieser Punkt wird von der Finanzverwaltung im derzeitigen Erlass anders gesehen. Sie akzeptiert, dass einmal anerkannte Abschreibungsdauern auch für die Zukunft bestehen bleiben.
An dem Punkt sehe ich noch am ehesten, dass das im Gesetzgebungsverfahren die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung übernommen wird und man damit allen Immobilieninvestoren entgegenkommt.
Wenn dem so ist, macht es Sinn, noch im Jahr 2024 Gutachten nach den neuen Anforderungen erstellen zu lassen, um sich damit die schnellere Abschreibung zu sichern.
Sicher wissen werden wir das aber erst im November oder, wenn die Ampel vor dem Jahresende scheitert, möglicherweise erst im Jahr 2025.
Es ist also eine Wette, ob der Bundestag dem Bundesrat oder der Finanzverwaltung folgt.
Auf jeden Fall macht es keinen Sinn, jetzt noch schnell Gutachten erstellen zu lassen, die sich in der Anwendung der ImmoWertV erschöpfen. Vorortbesichtigung und eine klare Aussage, warum die Restnutzungsdauer bei genau diesem Objekt kürzer ist, sind ein absolutes Muss!
Wenn Ihr bei der Wette auf die Finanzverwaltung setzt, dann holt Euch „richtige“, aber teurere Gutachten.
Letzte Worte
Der ganze Artikel gibt nur meine Meinung zu Thema Restnutzungsdauer wieder. Ich berate meine Mandanten auf dieser Grundlage und die meisten stimmen mir zu, dass meine Meinung durchaus etwas für sich hat.
Vielleicht haben wir alle Glück und irgendjemand nimmt die Änderung wieder raus. Das Thema Restnutzungsdauer wird aber damit nicht vom Tisch sein. Aufgrund der Einnahmenausfälle werden die Länder das Thema immer wieder diskutieren. Wir gewinnen vermutlich nur eine Gnadenfrist.
Und auch wenn diese Regelung wirklich gekippt wird, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis jemand im Finanzministerium auf die dann naheliegende Idee kommt, die Einnahmenausfälle aus der verkürzten Restnutzungsdauer zu kompensieren: Die Streichung der Steuerfreiheit des privaten Immobilienverkaufs.
Für Familienwohnsitze wird die Steuerbefreiung heute auch schon anders erreicht, das ist also kein Problem.
Verfassungswidrig ist das auch nicht. Die Älteren werden sich noch erinnern, dass Verkaufsgewinne aus Aktien auch mal steuerfrei waren. Bei der Abschaffung waren sich die Banken auch alle sicher, dass das BVerfG das kippen wird. Das ist nie passiert.
Warum sollte es bei Immobilien anders laufen?
Ehe die Steuerfreiheit des Verkaufs gestrichen wird, ist die faktische Abschaffung der verkürzten Nutzungsdauer das kleinere Übel.